Klappentext
Wenn man zum ersten Mal ein Land bereist, so steht das überraschende Moment, das spontane Erleben im Vordergrund. Es sind vornehmlich Bilder, die sich einprägen, es wird viel empfunden, die intellektuelle Verarbeitung dagegen nimmt bei einer wiederholten Reise größeren Raum ein. Das Wiedersehen mit den einzelnen Orten wird verbunden mit der Erinnerung an den Ort, das damalige Erlebnis wird durch die Erinnerung gebrochen, nochmals heraufbeschworen und mit dem neuen Schauen verglichen und verwoben. Es ist ein wenig, als lege sich über etwas unscharf gewordene Bilder der Erinnerung eine neue Schicht, die die alte durchschimmern lässt. Oder aber es sind in der gestalteten Erinnerung geformte Bilder, die nun im Wettbewerb stehen mit den neuen Eindrücken. Dies gilt für das Verhältnis der beiden Tunesienreisen im Abstand von sechs Jahren.
Marokko ist ein Zwischenglied, eine Art Scharnier, ein Bilderbuch von Geschautem, das zwischen Paradies und Inferno gegensätzliche Eindrücke zu verarbeiten sucht und die Landschaften des ariden, bzw. halb-ariden Gebirgslandes mit dem Meer konfrontiert, das ähnlichen Rhythmen folgt.
Ein Teil unserer Kultur kommt aus der Wüste, die monotheistischen Religionen von Judentum, Christentum und Islam haben sich dort strukturiert, sind aus der Reduktion, aus der Konzentration entstanden. Eine Wüstenlandschaft in ihrer spröden Kargheit bringt den Menschen dem Wesentlichen näher. Der Fels, der die Schichten vergangener Zeiten in seiner Nacktheit bloßlegt, verbindet ihn mit den Jahresringen der Bäume und läßt den einzelnen Menschen zur Besinnung kommen. Die Hitze des Tages, die Kälte der Nacht, Trockenheit und Sintfluten, zwischen diesen Extremen lebt der Nomade, und wir aus gemäßigteren Breiten sind in einem übertragenen Sinne vertraut mit dem Ausgesetztsein unseres Daseins, der Verwundbarkeit, der Endlichkeit, die unser Leben bestimmt. Dem steht die überwältigende Farbigkeit des Maghreb gegenüber. Überall, wo es Wasser gibt, entsteht eine paradiesische Vegetation, und die bunten Gewänder der Berberfrauen mit ihren Silbergehängen sprechen von einer Üppigkeit, einer Lebensfreude, die der Kargheit ihrer Umgebung widerspricht, ihr etwas entgegensetzt. Eine Reise in den Maghreb gibt uns Einblicke in das Fremde, Exotische, aber führt uns auch zurück zu uns selber, bereichert unsere Erfahrung mit dem eigenen Leben, schenkt uns Bilder der Erkenntnis.
Tunesien. Reisetagebuch – Ostern 2000
Marokkanische Fuge
Tunesien. Reisetagebuch – Pfingsten 2006
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